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Dienstag, 14. Dezember 2010

Unterwegs in Kachetien

Tagebuchnotiz, Djimiti, den 19. Juni 2010
Die legendäre Fahrweise der Georgier wieder einmal ausgiebig genossen, mit dem Microbus von Tbilissi nach Djimiti. Der blassblaue Transit wird sich seiner guten Tage kaum noch erinnern, doch innen ist er mit kariertem Samt, PVC und kleinen Teppichstücken liebevoll ausgestattet. Einige der weiß-karierten Ostblock-Plastiktaschen voll gestopft mit Gurken, Tomaten und Makkaroni blockieren bereits den schmalen Durchgang. Ein Neun-Sitzer, wie ich fachmännisch feststelle, doch als wir losfahren, sind wir mindestens Vierzehn, am Stadtrand steigen weitere Fünf zu.

Die letzten Ausläufer Tbilissis hinter uns, tritt der Fahrer aufatmend das Gaspedal ein wenig tiefer, ich lehne mich zurück und erblicke über mir ein Konvolut kleiner Ikonen: Gottesmutter Maria, heilige Nino, heiliger Georg: Schutzpatrone in ausreichender Zahl und Position. Vorne auf der Ablage liegen silberne Tetri-Münzen, die mit dem Hirsch und dem Löwen, sowie zwei Schachteln Winston Light. Eine Schachtel muss bald leer sein, dem Konsum meines Fahrers zufolge, und schwups, da fliegt sie auch schon am Fenster vorüber. Seit kurzer Zeit warten nicht zu knappe Strafen auf derartige Umweltsünder und ich registriere verblüfft den Gleichmut, mit dem ausnahmslos jeder Georgier darauf reagiert und warte gespannt, was mit dem Plastikpapier der neuen Packung geschieht. Ich kann ein Auflachen kaum unterdrücken, da ist sie auch schon ab und an uns vorbei.

Entspannt geht das Gaspedal noch eine Oktave tiefer und der Tacho hüpft begeistert auf 140. Wir fahren unerwartet gut gefedert, dicht an dicht vermisst keiner den Fahrgurt. Von Zeit zu Zeit bekreuzigt sich der ganze Bus, die Anlass gebenden Ninoklöster und Georgskirchen sind hinter dichtem Gestrüpp und Anwesen zu vermuten. Die Straße schlängelt sich durch kleine Dörfer, in denen die Häuser alle aussehen, als wären sie eben dabei, sich heimlich davonzumachen und schließlich durch ein Wäldchen in dem man zwischen den  Baumstämmen die letzten Reste russischer Stationierung erspähen kann.

Immer weiter reißt die Landschaft auf und das herrliche Sonnenland Kachetien breitet sich mit großartiger Gebärde vor uns aus: zahllose Weinfelder, die Wiege und Heimat von nahezu 500 Traubensorten, ein unvergleichlich schöner Anblick.
Es ist immer wieder märchenhaft, hier zu fahren, am späten Abend, wenn es überraschend schnell dunkel wird und der Vollmond über die Gombori-Hügel zu uns herab rollt, weich und rund wie ein Käsebällchen.

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