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Donnerstag, 16. Dezember 2010

Unwetter des heiligen Ilja

Tagebuchnotiz, Djimiti, den 18. Juni 2008

Wenn es hier in Djimiti regnet, dann gleich mit einer solchen Heftigkeit, dass man jedes Mal meinen könnte, der ganze Himmel stürze über uns zusammen. Die Häuser sind aus diesem Grund alle mit Metall gedeckt, und jeder Bauer fürchtet besonders die gelb-schwarzen Wolken. Zu Recht, denn es braucht nur ein einziges Hagelunwetter zur falschen Zeit, und die gesamte Ernte, die Arbeit eines ganzen Jahres ist vernichtet. Zu Sowjetzeiten hatte man gefährliche Wolken aus eigens dafür eingerichteten Wetterstationen mit Raketen beschossen und zerstreut, um ihrem verheerenden Feldzug zuvorzukommen.

Ich liebe diese ziemlich häufig über uns hereinbrechenden Wetterüberfälle! Es ist ein ganz besonderer Wind, der den Regen ankündigt, die Schwalben fliegen so tief, dass sie mit ihren Flügelspitzen den Boden streifen, und schon hört man das quietschende Klappern im Kamin und die ersten Tropfen hart aufs Dach schlagen. Schreiend retten dann die Hausfrauen ihre Wäsche von der Leine, in Windeseile werden Decken, Kissen, Schweine und Kinder ins Haus geschafft und mit lautem Gegacker flüchten Hühner und Puten ins schützende Gehege. Und schon ist man mittendrin. Das Sturmsausen und Prasseln des Regens ist ohrenbetäubend, die Wolken drängen mit aller Macht durch die Straßen. Überall, wo sich Wasser sammeln kann, sprudelt und gießt es sturzbachartig hernieder und in Sekundenschnelle ist alles überflutet. Nicht Tür noch Fenster hält es auf, munter strömt es in unser Bad und durchweicht schonungslos meinen gesamten Vorrat an hellgelb flauschigem Toilettenpapier.

Indes wir in dicke Decken eingewickelt, dicht an einander gekuschelt in meinem Bett kauern, mit großen Augen dem Weltuntergangsgetöse lauschen, bei jedem neuen Donnerschlag ordentlich zusammen fahren und uns voller Begeisterung ausmalen, wie der Heilige Ilja hoch aufgerichtet in seinem gewaltigen Wagen steht und mit blitzender Peitsche die wilden Rösser quer über den nachtschwarzen Himmel jagt.

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